22. Juni 2004 / Kurier

Schostakowitsch: Der Russen-Seele wilder Klang

Arnold Schalks, Dmitri Sjostakovitsj, Dmitri Shostakovich, Lady MacBeth van Mtsensk, Lady Macbeth of the Mtsensk District, Lady Macbeth von Mzensk, Alexander Preis, David Prins, Gerhard Schmöhe, Claudio Büchler, Susanna von der Burg, Marwan Shamiyeh, Joachim Seipp, Dan Chamandy, Jennifer M. Chamandy, Dale Albright, Yury Shklyar, Isabel Seebacher, Sébastien Soules, Frederic Grager, Heinrich Wolf, Michael Lukave, Ronald Nelem, Stanislav Stambolov, Michael D. Zimmermann, Johann Kleinheinz, Tiroler Landestheater Innsbruck, Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Theater-Ästhetik vom Feinsten: "Lady Macbeth von Mzensk" (Foto: Tiroler Landestheater/Larl)

Lady Macbeth von Mzensk, Oper von Dmitri Schostakowitsch, hatte am Sonntag Abend eine gefeierte, mit Ovationen bedachte Premiere im Landestheater.

Handlungs-Steno: Der Schwiegervater (Joachim Seipp) wird gekillt, mit Rattengift. Der Ehemann auch. Katerina Ismailowa, die Gattin, wendet sich dem leidenschaftlich-deftigen Lover Sergej zu. Denn sie will Macht, Sex, Geld, Lust. Alles legitim, nur halt ohne Mord, wenn möglich.

Doch als das Paar auf dem Marsch nach Sibirien mit den Ausweglosen der Gesellschaft Halt macht, verspielt Katerina alles, auch ihre Strümpfe, rot wie alles: Rot wie Russland, rot wie Blut, rot wie die aggressive, aber intensiv gelebte Leidenschaft der Liebe, die im dürren Gestrüpp des seelischen Nichts und der Einsamkeit endet (Bühnenbild: Arnold Schalks, Kostüme: Michael D. Zimmermann). Die Strümpfe werden ihr von Lover Sergej für dessen neue Gespielin, Sonjetka (Isabel Seebacher) genommen. Es endet russisch und Opern gerecht: Katerina geht ins Wasser. Ein Drama, eine Satire, eine slapstickhafte Persiflage, ein Infrage-Stellen des Genres Oper: David Prins hat ebenso phänomenal inszeniert, wie Georg Schmöhe die Musik-Einstudierung mit dem Tiroler Symphonie-Orchester Innsbruck vornahm. Gelebter Phantasie-Reichtum der Skurrilität: All das, was Leben (unter anderem) ausmacht, Seelisch-Meditatives, Leidenschaftliches, Dissonantisches, Deftig-Sexuelles, Angst und Enttäuschung - Schostakowitschs Musik hat es in sich. Weil der Komponist mit seinen Stimmungen in der Musik bricht, sind auch die (skurrilen) Brüche in der Inszenierung perfekter Teil eines ganzheitlichen Gesamtkunstwerks, in dessen Mittelpunkt im Großen Haus nicht nur eine exzellente Sängerin und Menschendarstellerin, sondern auch eine Frau von größter Präsenz steht: Susanna von der Burg sorgt dafür, dass dieser Abend ein Ereignis von weit überregionaler Bedeutung wird. Eine Sängerin, die mit totalem Einsatz fesselt, ihre Menschhaftigkeit in die Rolle einbringt. Mit der größten Leichtigkeit meistert sie die schwierige Partie.

Dan Chamandy ist ein realistischer Sergej, Jennifer Chamandy gibt der geschändeten Haushälterin Akzente der Selbstaufgabe. Dale Albright glänzt als "Schäbiger".

Ein sensationeller Abend, zu dem neben dem Ensemble auch der Chor mit einer Bravourleistung beiträgt.

Winfried W. Linde