22. Juni 2004 / Austria Presseagentur

Das russische Rot kündet Liebe und Blut

Innsbruck triumphiert mit Schostakowitsch-Oper "Lady Macbeth von Mzensk"

INNSBRUCK, 2l. Juni 2004.- Eine sensationelle Opernproduktion ist dem Tiroler Landestheater mit Dmitrij Schostakowitschs avantgardistischer "Lady Macbeth von Mzensk" aus dem Jahre 1932 in ihrer Originalfassung gelungen: Musik und Szene verschmolzen da zum aufregenden Gesamtkunstwerk und wurden vom Publikum in der gestrigen Sonntagspremiere mit Ovationen gefeiert.

Schon im Augenblick, da man den Zuschauerraum betritt, wird man vom "russischen Rot" der offenen Bühne gefangen genommen. Vier Schlagzeuger haben da ihr reiches Reservoir an Perkussionsinstrumenten aufgebaut, um den musikalischen Ablauf sichtbar und hörbar zu akzentuieren. Aus dem Orchestergraben aber holt Musikdirektor Georg Schmöhe eine überwältigende Fülle von Klangereignissen, die Schostakowitschs geniale Partitur in allen dynamischen und sinnlichen Bereichen ausleuchten: von ganz intimen, zärtlichen Lyrismen uber die sarkastischen Töne bis zu ungeheuren explosiven Entladungen. Das ist nicht nur russische Musik, die der damals 26-jährige Schostakowitsch komponierte, das ist Weltmusik, in der alle Strömungen dieser unruhigen und schöpferisch lebendigen Zeit aufgefangen sind, kurz, europäische Avantgarde. Dass Stalin die Oper missfiel, dass er sie verbot und den Komponisten politisch unter schwersten Druck setzte, wird jedem klar, der die Satire, die Sozialkritik in diesem Werk erkennt.

Die erkannte auch Regisseur David Prins, der die Härten des Werkes schonungslos und spannungsreich ausspielt, die Satire unmissverständlich herausarbeitet und nur der Zentralfigur Katerina ehrliche Gefühle zugesteht. Sie allein trägt Rot, die Farbe der Liebe und des Blutes, inmitten einer Welt aus Schwarz, Weiß und Grau. Hier haben Bühnen- und Kostümbildner Hand in Hand gearbeitet: Faszinierend die linolschnittartigen, grafischen Bilder und Räume des Arnold Schalks, wie sie sich gegen die roten Flächen abheben, und der Effekt wiederholt sich in den Kostümen: die Kolchosenarbeiter sehen aus wie die mit schwarzen Zeichen bedruckten Mehlsäcke, die sie schleppen. Der Riesenchor ist durch die Regie zu besonders eindrucksvollen Aktionen mobilisiert, aber auch durch Claudio Büchler musikalisch hervorragend diszipliniert und gelangt klanglich zu ganz großen Wirkungen.

Eine leidenschaftliche Protagonistin hat die Aufführung in Susanna von der Burg: Sie singt, sie spielt, sie lebt diese Katerina Ismailowa mit Leib und Seele, ihre Einsamkeit, ihren Frust, den Liebesrausch, das Morden, die Schuldgefühle, zuletzt die ganze Bitterkeit der Betrogenen. Ihre Stimme, ihre Darstellung auch in der ungebremsten Körperlichkeit scheinen keine Grenzen zu kennen. Eine grandiose Leistung. Glänzend charakterisiert Joachim Seipp die Brutalität und heimliche Lüsternheit des Schwiegervaters Boris, ebenso Dan Chamandy den windigen Verführer Sergej. Karikaturistisch gelungen die Figuren des vertrottelten Sinowi (Marwan Shamiyeh), des Betrunkenen (Dale Albright), des Verwalter und Popen (Yury Shklyar), des Polizeichefs (Sebastien Soules) und Polizisten (Frederic Grager); rollengerecht infam die Sonjetka (Isabel Seebacher). Bis in die Nebenrollen war da alles stimmig durchgearbeitet.

Mit Recht wurde das Ensemble, vor allem aber die Sängerin der Titelrolle und das gesamte Leading Team begeistert gefeiert.

Jutta Höpfel