ERÖFFNUNGSREDE / Pfr. Hartmut Miethe

Arnold Schalks, 1996, Das Ettingshäuser Käseblatt, Zwei Bauern Ensembles, Milchgeschirr durch die Zeiten, Ausstellung und Publikation, Twee boeren ensembles, tentoonstelling en publicatie, Andre Dekker, Maarten van Gent, Ernst Jandl, Lina Keil, Hartmut Miethe, Cora Schmeiser, Edwin Schmeiser, Anne Gräf, Herman Gräf, Agnes Gräf, Ernst Jandl, Kurt Tucholsky, Förderkreis Kunst-Mensch-Kirche, Rathausstraße 1, Reiskirchen-Ettingshausen

Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen des Förderkreises KUNST-MENSCH-KIRCHE heiße ich Sie im Pfarrhof willkommen. Die vorausgegangene Prozession landet hier an, wie die Welle an die Küste.

Im Gegensatz zu früheren Ausstellungen, findet diese Ausstellung nicht im Gemeindesaal, sondern im Pfarrhaus selbst statt. Damit signalisiert diese Ausstellung daß der Satz: Freiräume sind Räume der Freiheit stimmig ist. Durch meinen Wechsel an die Universität ist dieses Haus frei geworden und für einen kurzen Zeitraum wird spürbar, wie wandelbar diese Räume sind. Wohnstatt für Künstler, Ausstellungsraum, Siebdruckwerkstatt und Druckerei, all dies erfüllt nun diese Räume und präsentiert sich Ihnen als Botschaft. Diese Ausstellung lebt aus der Begegnung des Künstlers Arnold Schalks mit diesem Ort, mit seiner fast vergangenen Seite, der bäuerlichen Kultur. Die bäuerliche Kultur lebte von der Angewiesenheit aller Beteiligten aufeinander. Mensch, Elemente, Natur, Pflanze und Tier waren einander zugeordnet, sodaß das gegenseitige Dasein garantiert werden konnte. Eine filigrane Feinstruktur entwickelte sich zwischen den einzelnen Faktoren. Die Menschen wußten um die Möglichkeiten und Grenzen, sie beherrschten eine Unzahl von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Im Gegensatz zu dieser versunkenen Kultur hat sich die Ausbeutungs- und Abhängigkeitskultur entfaltet. Die feingewebten Zusammenhänge zwischen dem Menschen und der Natur sind zerrissen und die Kulturfähigkeiten: wie backe ich ein Brot, wie bereite ich Käse z.B., sind fast zu einem Geheimwissen weniger geworden.

Das Selbstverständliche hat sich zu dem Besonderen entwickelt. Früher staunte man, wenn jemand Autofahren konnte, heute, wenn jemand ein selbstgebackenes Brot in der Hand hält.

Diesen Umkehrungsprozeß entdecken wir in dieser Ausstellung wieder. Das Selbstverständliche wandelt sich zum FAST NICHT MEHR VERSTEHBAREN.

Alles in dieser Ausstellung lebt davon, daß es entwürzelt ist, weil die Welt des Ursprungs versunken ist.

Deshalb ist auch der Ausstellungsort so passend. Das Pfarrhaus ist auch ein Relikt der bäuerlichen Lebenswelt. Als Ort einer Obrigkeitskirche ist es untergegangen. Es ist zum Glück zu einem Ort der Begegnung unterschiedlichster Menschen geworden und wird auch nur in dieser Eigenschaft die Zukunft erreichen. Von Paris nach Ettingshausen hat diese Ausstellung gefunden, begleitet von guten Freunden des Künstlers entfaltet sie sich hier noch einmal. Gerade hierhin vollzieht sie einen Weg, der bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vorgezeichnet wurde, als viele Ettingshäuser Bürger, getrieben von Arbeitslosigkeit, Hunger und Freiheitsliebe, nach Paris auswanderten, um dort ihr Glück zu finden und die meisten sind doch in den Elendsvierteln dieser Weltstadt verkommen.

In dieser vielschichtigen Verknüpfung liegt das Geheimnis all dessen, was sich hier ereignet.

Herzlichen Dank an alle, die mit Leidenschaft geschaffen haben.