PRESSE

Tiroler Tageszeitung / Freitag, 16. September 2011 / Theaterzeitung, Seite 3

Kein Märchen, sondern romantische Realität

Lohengrin – eine Schlüsselgeschichte zwischen Autonomie und Fremdbestimmung

Eifersucht und unüberwindliche Konflikte zwischen Realität und Utopie sind der Kern der Oper "Lohengrin".

Von I. Lughofer

“lch will niemanden überrumpeln, sondern eine Geschichte erzählen, in der Köpfe und Herzen der Zuschauer angesprochen werden”, gibt Regisseur David Prins der Phantasie und den Empfindungen des Publikums große Bedeutung.
Der Niederländer, der den Lohengrin zum ersten Mal inszeniert und selbst Libretti schreibt, beschäftigte sich intensiv mit dem Text, den Wagner übrigens als Prosaentwurf im Jahr 1845 in nur wenigen Tagen schuf. “lch nehme mir die Zeit, mich tief in die Dichtung einzuarbeiten, einzelne Worte zu analysieren und die poetische Sprache zu interpretieren.” Doch eine museale Rekonstruktion ist nicht in seinem Sinne, sondern ein zauberhaft-stimmungsvoller Abend.

Kein Superman

Die Rollen sieht der Regisseur jeweils aus der Perspektive der einzelnen Figuren: “Lohengrin ist kein hehrer Gralsritter, der als geheimnisumwobene Lichtgestalt oder gar als ‘Superman' auftaucht, sondern ein bedauernswerter junger Mann ohne Familie, der sich beim Gral engagiert - einem speziellen Männerclub, der sich dem Guten verschrieben hat.”
Ähnlich wie Tamino ist er auf der Suche, hört von einem Mädchen in Not und ist mittels des verwunschenen Schwans schon hilfreich zur Stelle. Doch kaum ist er in Antwerpen am Ufer der Schelde angekommen, verliebt er sich in Elsa und seine Mission tritt in den Hintergrund. “Anstatt der groge Befreier oder Erlöser zu sein, ist Lohengrin sehr menschlich. Er zeigt den Abstand zwischen dem visionären Traum und der Tat auf.”

Um Elsa lieben und retten zu können, braucht er ihr Vertrauen. Das bedeutet, dass sie ihn nie nach seinem Namen und seiner Herkunft befragen darf. “Zwei Menschen begegnen sich, versuchen sich zu nähern, sich zu unterstützen. Dieses vorsichtige Kennenlernen ist zutiefst menschlich.” In dieser beginnenden und tragisch endenden Beziehung steckt für den Regisseur der Kern der Oper.

Die oft als düstere Teufelsanbeterin wahrgenommene Ortrud ist die Tochter eines friesischen Fürsten, kennt die althergebrachten magischen Künste und möchte ihren ursprünglichen und mittlerweile vertriebenen Göttern wie Freia, Thor und Wotan huldigen. Sie hinterfragt den Streit der Brabanter mit Ungarn, weil er einen Krieg heraufbeschwört, in den alle starken Männer ziehen müssten - und das noch dazu unter der Heerführung eines unbekannten Fremden, nämlich Lohengrin. Als Elsa ihr sanftmütig die Freundschaft anbietet, gerät sie in einen Zwiespalt.'

“Diese kleinen persönlichen Schicksale machen für mich die große Oper aus", sagt Prins, für den die wahrhaftige Reaktion zählt - und das Verhältnis der Figuren untereinander. "Wagner gibt Zeit für den inneren Monolog, um über ein Gefühl oder einen Gedanken zu singen. “Um dies berührend darzustellen, kämpft der Regisseur gegen jede doppelte Illustration: “Wenn bereits musikalisch und im Text die Liebe erklärt wird, muss der Sänger dies nicht noch mit dramatischen Gesten unterstreichen.”

Optischer Genuss

Ein eingespieltes und bewährtes Team bildet Prins mit dem Bühnenbildner und Grafiker Arnold Schalks und mit der Kostümdesignerin Marrit van der Burgt, die auch im Filmgeschäft tätig ist. Schalks entwarf eine leicht steigende Spielfläche, auf der sich konzentrische Kreise abbilden, die symbolisch für die Spannungsfelder, aber auch die Netzwerke in der Gesellschaft stehen. Im Hintergrund zeigt sich eine Wasserfläche. Als “mentale Tragkonstruktion für das Geschehen” gestaltet er das schlichte Bühnenbild “so mehrdeutig wie nur möglich”, um durch die Handlung die Orte näher definieren zu lassen.

Der optische Genuss des schwarz-weißen Raumes wird durch die Kostüme von Marrit van der Burgt vollendet. Sie wählt lebendige nuancenreiche Farben, arbeitet mit keltischen Ornamenten und freut sich, die Stoffe selbst zu färben und die Gewänder mit Latex und Federn verzieren zu können. “Schön für die Augen und die Ohren” wünscht sie sich die Vorstellungen.Märchenhafter Abend.

Musikalisch ist Alexander Rumpf zuständig, der seinen ersten Lohengrin genießt: “Wagner gelang in dieser Oper erstmals eine geniale Verbindung aus seinem typischen Deklamationsstil und strahlendem Belcanto. Seine Leitmotivtechnik war noch nicht ausgereift, aber der Komponist baute gemäß alter Tradition eine interessante Tonarten-Dramaturgie ein: Für Lohengrin steht das lichte A-Dur, Ortrud, und Telramund werden durch fis-Moll charakterisiert.” “Es wird ein märchenhafter Abend", schwärmt der Regisseur, "ich möchte meine Liebe zu diesem Stück mit dem Publikum teilen und eine Projektionsfläche für Emotionen und Gedanken bieten.”

 

Tiroler Tageszeitung / Dienstag, 27. September 2011

Viel Neugier im Brautgemach

Richard Wagners „Lohengrin“, Inbegriff der romantischen Oper, eröffnete am Samstag etwas zwiespältig die Spielzeit des Tiroler Landestheaters.

Von Ursula Strohal

INNSBRUCK – Ein Ritter geheimnisvoller Identität, von einem Schwan gezogen, eilt einer Jungfrau zu Hilfe, hat mit der Abwehr eines dämonischen Paares zu tun, erlässt ein Frageverbot. Ein Märchen. Oder Traum, Sehnsucht, und zwischen Politik, Vision, Mythologie und Trauma changierender Kommentar. Die Regisseure wählen ihren Blickwinkel. David Prins, der Wagners „Lohengrin“ fürs Tiroler Landestheater inszenierte, hält sich da weitgehend, wenn auch nicht ganz raus. Er stülpt kein persönliches Konzept übers Stück, erzählt allein die Geschichte möglichst genau, verweist auf Deutungsmöglichkeiten, lässt viel Spielraum. Was ihm am wenigsten gelingt, ist, den großen Chor schlüssig in Bewegung zu setzen. Adäquat Chormeister Jan Altmann: Chor und Extrachor des TLT traten bei der Premiere hinsichtlich Homogenität, klanglicher Rundung und Gruppendynamik unfertig auf.

Prins’ engste Partner sind der Dirigent Alexander Rumpf, und, glückloser, Kostümbildnerin Marrit van der Burgt. Sie beginnt bei den Frauen konventionell im Burgfräuleinstil, ein „schönes“ Gewand in Apricot für Elsa, in dunklem Zauberer-Rot, wie sein Gefolge mit Fellen um die Schultern, das finstere Paar Ortrud und Telramund. Die Brabanter stecken in Rastalocken-gekröntem Ethnolook, ritterlich Blau König Heinrichs Gefolgschaft. Das steigert sich bis zur Lächerlichkeit. Der Filmkitsch der Kostüme klebt das Stück zu.

Überzeugender der Weg von Bühnenbildner Arnold Schalks, der aus abstraktem Schwarzweiß die Illusion einer Arena, Wegstrecke oder waldigen Höhle und mit sich drehenden Metallschrauben den stillen Wellengang des Wassers schuf.

Im Brautgemach, wo Ortrud versteckt noch immer ihre giftigen Kräfte aussendet, herrscht keusches Weiß, da outet sich Lohengrin als messianische Gestalt. Aber Elsa, die zuletzt ins Wasser geht, fragt den Gottgesandten halt doch nach seiner Identität, die zu wissen sie vernichtet, und Wagners manische, der Brabanter tumbe Erlösungssehnsucht hat einen Sprung.

Opernchef Rumpf und das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck haben zupackend und dynamisch diffizil abgestuft die Trümpfe in der Hand, Rumpf bringt Leben in die ewige Geradtaktigkeit, lässt das Orchester durchschlagen, wo die Schwerter des Kampfes und des Hassen blitzen, nimmt das Stück insgesamt aber betont lyrisch. Akut ist bei „Lohengrin“ freilich das uralte Problem des viel zu kleinen (Streicher!) und akustisch oft schwierigen Orchestergrabens. Am Bühnenrand waren die vier Naturtrompeter postiert.

Mit Mehrzad Montazeri als Lohengrin ist ein lyrischer Belcantist aufgeboten, der die Partie nicht stemmt, sondern mit fast empfindsamer Kantabilität sang. Belcanto, wie ihn Wagner wünschte. Der Elsa kommt Susanna von der Burgs jugendliches Timbre zugute, sie ist kein schwaches Mädchen, sondern eine traumatisierte, christlich liebesfähige Frau. Prins lässt sie mit der eisern ihre germanische Götterwelt vertretenden Widersacherin Ortrud einen Frauenkrieg bis zum Bodenkampf austragen. Jennifer Maines hat mit der Ortrud intensiv aufstrahlend und expressiv geradezu einen Fachwechsel vollzogen, ihr Telramund, genau gezeichnet in seiner macbethischen Verführbarkeit, fand in Joachim Seipp eine vokal herbe, kraftvolle Verkörperung. Würdevoll weise Marc Kugels König Heinrich, durchsetzungsfähig der Heerrufer von Vladimir Baykov. Joshua Lindsay, Ansgar Matthes, Matthias Wölbitsch und Sebastian Kroggel waren die brabantischen Edlen, dazu vier Wiltener Sängerknaben und Sascha Hunschofsky als Gottfried.

 

Krone Zeitung / Dienstag 27. September 2011 / Kultur, Seite 49

Märchenhaft und stimmgewaltig

Das Tiroler Landestheater präsentiert Richard Wagners "Lohengrin" als romantisches Märchenspektakel und Stimmen-Festspiel. Die Premiere am Sonntag im Großen Haus war ein Erlebnis für Wagner-Einsteiger ebenso aber auch für Fortgeschrittene.

Von Franz Gratl

INNSBRUCK – Der aus Persien stammende österreichische Tenor Mehrzad Montazeri ist in der Titelrolle zu hören: Ein Lohengrin mit Strahlkraft und hoher Gesangskultur. Vielleicht hätte manchmal, wie etwa in der "Gralserzählung", mehr liedmäßige Differenzierung gut getan, aber insgesamt braucht der neue Innsbrucker Lohengrin den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.

Als Elsa ist Susanna von der Burg ein Glücksfall. Durch ihren intensiven Gestaltungswillen gerät die Partie der ach so tugendhaften Brabanterin nicht eindimensional, sie investiert die gesamte Farbpalette ihres Edelsoprans.

Als Ortrud brilliert Jennifer Maines (die in Innsbruck bestens bekannte Jennifer Chamandy, die nun wieder ihren Mädchennamen angenommen hat) gesanglich und darstellerisch - sie verleiht ihrer charakteristischen Sopranstimme verführerische Strahlkraft und abgründige Dämonie in idealer Balance. Dass Innsbruck eine solche Ortrud aus dem Ensemble besetzen kann, spricht für die Qualität des Hauses.

lhr zur Seite steht Joachim Seipp als Telramund: Anfangs gelegentlich noch unschön forcierend fand er immer besser in die Rolle und bestach durch sein individuelles Timbre und vokale Kraft. Ein nobler, vorbildlich textdeutlich singender König Heinrich ist Marc Kugel, ein angemessen imposanter Heerrufer Vladimir Baykov.

Der Lohengrin ist auch eine anspruchsvolle Choroper: Der Chor stellte sich der Herausforderung mit großem Engagement und einem durchwegs sehr guten Ergebnis, Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Chor, Ensemble und Orchester hätten im Vorfeld intensiverer Probenarbeit bedurft - ein gewisses Probendefizit war auch namentlich auf orchestraler Seite und besonders im ersten Akt unüberhörbar. Unter Alexander Rumpfs Leitung klang das Orchester vielfach zu laut, manch "magische" Stelle blieb auf der Strecke. Vielleicht fiel die Feinabstimmung da und dort auch dem Premieren-Uberschwang zum Opfer.

Die Inszenierung lebt von grellen Kostümfarben vor monochromem Hintergrund, Regisseur David Prins präsentiert Lohengrin als buntes Märchenspektakel, die Innsbrucker Aufführung ist vokal hochklassig besetzt und niemals langweilig - das Tiroler Landestheater bietet ein ideales Wagner-Erlebnis für Einsteiger, aber auch Erlesenes.

 

http://regionaut.meinbezirk.at / 27. September 2011

Es darf nur schön sein

Ein prächtiges Fest fürs Auge und ein solider Ohrenschmaus: „Lohengrin“ war ein schöner Opernabend.

Von Sieghard Krabichler

Dreieinhalb Stunden dauert Wagners Eifersuchtsepos um den Gralsritter „Lohengrin“ und seine Elsa, am Sonntag fand am Tiroler Landestheater die Premiere statt. Und gleich Vorweg ein Pauschallob an David Prins für die behutsame, schlüssige Inszenierung, für die klare Bühnengestaltung von Arnold Schalks und die ästhetisch schönen Kostüme von Marrit van der Burgt. Ja, eine romantische Oper wie es Lohengrin ist, darf ausstattungsmäßig ruhig einmal „nur“ schön sein, auch wenn der Kitsch die Bühne bereits berührte.

Alexander Rumpf stand am Pult des Tiroler Symphonie-Orchesters Innsbruck, einmal mehr gerieten etliche Passagen zu laut. Kleine Stimmungs-Unebenheiten und verkorkste Bläsereinsätze trübten ein wenig die gute Orchesterleistung.

Die Sängerleistung war durchwachsen. Jennifer Maines als Ortrud und ihr Partner Joachim Seipp als Telramund stahlen den beiden Protagonisten die Show. Seipp in Höchstform, Maines sang böse, giftig, und bestechend in Ton und Fülle. Susanna von der Burg als Elsa, hatte wenige Probleme, eine solide Darbietung. Mehrzad Montazeri als Lohengrin hingegen hatte sowohl stimmlich als auch mit der deutschen Sprache manche Grenzen zu meistern. Und ein wenig heldenhafter hätte es auch sein können. Top vorbereitet war Chor und Extrachor von Jan Altmann, ebenso wie Marc Kugel als König Heinrich.